In der Zeit von COVID-19 sind die meisten von uns in ihrer Mobilität stark eingeschränkt. Als ich wusste, dass ein Auslandssemester an der Sciences Po Toulouse möglich ist, war es keine schwere Entscheidung, das Angebot anzunehmen. Die Vorbereitung war allerdings etwas aufwändiger als sonst. Das Kursangebot an der Partnerhochschule, die Anrechnung von ECTS, die Suche nach einer Unterkunft und das Reisen wurden durch die Situation erschwert. Die Anreise mit dem Zug von Berlin nach Toulouse besteht normalerweise aus einem Umstieg in Mannheim und dann einem weiteren Umstieg in Paris. Mein erster Zug hatte leider Verspätung, wodurch ich gezwungen war, meine Reise zu verlängern und eine Nacht in Paris zu bleiben.
Im Gegensatz zu den anderen französischen Städten, die ich besucht habe, ist die Architektur im Zentrum von Toulouse ganz in Rosa gehalten. Später habe ich im Französischunterricht entdeckt, dass Toulouse auch als „la Ville rose“ bekannt ist, was so viel wie die rosafarbene Stadt bedeutet. Die kulturelle Vielfalt in Toulouse wird mir auch dadurch bewusst, dass die Ansage in der Metro nicht nur in französischer Sprache ist. Sogar auf den Straßen gibt es öffentliche Schilder in Okzitanisch. Eine weitere Überraschung, die ich in der Stadt erlebt habe, ist die Lebendigkeit trotz der Pandemie-Situation. Der Stadtplatz war immer voll von Menschen und es gab Straßenaufführungen und Proteste. Die Geschäfte dürfen öffnen. Damit hätte ich nicht gerechnet.
Die meisten Kurse werden auf Französisch unterrichtet, aber es gibt auch Optionen auf Englisch. Während des Unterrichts haben manche Dozenten unterbrochen und den einheimischen Studenten etwas auf Französisch erklärt. Diese Unterbrechungen haben mein Verständnis für die Kursinhalte nicht beeinträchtigt. Während des Online-Unterrichts gibt es eine offensichtliche Vorliebe der Dozenten, dass sie ausdrücklich wünschen, dass wir die Kameras einschalten. Diese Kultur ist neu für mich, da sie in meinem Studium in Deutschland noch nie vorgekommen ist. Ich bin auch in der glücklichen Lage, einen Kurs zu haben, der auf dem Campus mit sozialer Distanz abgehalten wird. Dieses seltene physische Zusammentreffen zwischen den Studenten und dem Dozenten hat mein soziales Wohlbefinden enorm gesteigert.
Während die meisten meiner Klassenkameraden sich ihre Unterkunft auf dem privaten Markt suchen mussten, habe ich das Glück, ein Zimmer im Studentenwohnheim zu haben. Das Zimmer ist erschwinglicher und es liegt in der Nähe von Sciences Po und dem Stadtzentrum. Auch wenn das Zimmer mit nur 9m² sehr klein ist, gibt es eine Gemeinschaftsküche, in der ich meine Mitbewohner kennenlernen kann.
Aufgrund der aktuellen Umstände sind die Studentenvereinigungen und das ESN bei der Organisation von Veranstaltungen sehr eingeschränkt. Trotzdem sind die meisten Zusammenkünfte selbstorganisiert. Wir treffen uns oft am Fluss, um zu trinken und zu chillen. Einige Studenten haben auch Hauspartys oder Kurztrips initiiert. Da Toulouse für seine Airbus-Industrie bekannt ist, hoffe ich, dass das Verbot für Museumsbesuche aufgehoben wird, bevor ich die Stadt verlasse. Ich glaube, es wäre ein lohnender Wissenszuwachs, wenn ich mit meinen neuen Freunden, den Airbus-Ingenieuren, ins Luftfahrtmuseum gehen könnte.